






MICHAELA GRÄPER
Die Holzbildhauerin Michaela Johanne Gräper macht sich frei von Rollenbildern und Stereotypen: Ihre Frauenfiguren wollen nicht gefallen – und tun es doch.
»Die Oberflächlichkeit, mit der wir Menschen häufig begegnen, die Vorurteile, die wir haben, ohne nur das Geringste über die Person zu wissen.« Das ist eines der Themen, das Michaela Johanne Gräper umtreibt, welches sie in Holz meißelt, schnitzt und schneidet.
Ihre Figuren sind meist weiblich, stark, kurvig, sie sind geschminkt, zeigen Haut und Körper, tragen das Kinn stolz nach oben gereckt, stehen oder sitzen auf hohen Absätzen oder barfuß mit lackierten Nägeln, die Augen sind immer anders wie das Wesen der Figuren. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet Michaela Johanne Gräper mit Holz, schält und formt die Figuren aus den Holzblöcken, als hätten sie schon immer darin gewohnt. Schnitzeisen und Motorsäge Michaela Johanne Gräper hat viel erlebt: Sie war in Kanada, Amerika, Australien und Südafrika. Überall hat sie dazu gelernt, Neues gesehen und Erfahrungen gemacht. »Überall warten Einflüsse«, sagt sie, die ihr Werk formen und sie zu der Person gemacht haben, die sie heute ist. Aufgewachsen ist Michaela Johanne Gräper in Oberammergau »in der Holzschnitzer-Hochburg inmitten von Barock«. Mit ihrem Opa Albert Huber, der Spengler war, hat sie Museen besucht, ihm in der Werkstatt und im Park dabei zugeschaut, wie er Skulpturen restauriert. Später machte sie ein einjähriges Praktikum bei einem Bildhauer in einer Oberammergauer Holzwerkstatt. Spätestens da war klar, dass ihr das Handwerk liegt, das sie Freude an der damals noch sehr männerdominierten Arbeit hat. 1981 entschied sie sich an die Berufsfachschule für Schnitzer und Holzbildhauer zu gehen, die sie drei Jahre später als eine von fünf anderen Frauen (15 Auszubildende waren es insgesamt) mit dem Gesellenbrief abschloss. »Mich hätte auch eine Schreinerlehre interessiert, aber damals gab es keine Werkstattlehrstellen für Frauen. ‚Da müssten wir ja extra eine Toilette bauen‘, hieß es nur und damit war der Fall erledigt.« Auch in der Berufsfachschule wurden Unterschiede gemacht: »Wir durften als Frauen nicht mit der Motorsäge arbeiten.“
Das hat Michaela Johanne Gräper aber nicht davon abgehalten, heute lebensgroße Werke mit der Motorsäge zu gestalten – die Arbeit mit der Kettensäge hat sie sich selbst beigebracht. »Für mein erstes Werk habe ich statt der geplanten drei Tage, drei Wochen gebraucht – aber das war mir egal. Ich habe es geschafft. Heute kann ich mit der Säge genauso spielerisch umgehen wie mit dem Schnitzeisen.« Das Werk heißt »Freischwimmerin« und steht heute im Eingangsbereich des »Einfrauhausateliers« von Michaela Johanne Gräper im oberbayerischen Burggen, in dem sie seit über zwölf Jahren lebt und arbeitet. Freischwimmen und herausschälen, darum geht es Michaela Johanne Gräper bei der Gestaltung ihrer Skulpturen, sie zeigt, was ist und räumt auf mit tradierten Schönheitsidealen: »Frauen sollten viel selbstbewusster mit ihrem Können und ihrer Person umgehen und nicht so wahnsinnig kritisch sein, mit sich, mit ihrem Körper und ihren Gedanken.« Selbstbewusst zeigt sich die »Freischwimmerin«, genauso wie die Figur »2 Haxn und a Schädl«. »Für den einen ist sie hässlich, für den anderen ist sie schön, aber das spielt alles keine Rolle, denn vor allem ist sie einfach wer«, sagt Michaela Johanne Gräper über »2 Haxn und a Schädl«, einer Frauenfigur in blauen Jeans, orangerotem Top und knallrotem Lippenstift. Die Fassmalerei, die sie bei fast allen ihren Werken einsetzt, die Technik der Bemalung und Vergoldung von Holzplastiken, ist eine der traditionellen Techniken, die sie schon als Kind in den Oberammergauer Holzschnitzereien fasziniert haben. Die Arbeit mit dem Holzwerkzeug und farbige Ausgestaltung mit dem Pinsel – beides liegt ihr gleichermaßen: »Wenn ich schnitze, freue ich mich immer schon aufs Bemalen und wenn ich male, freue ich mich schon wieder auf die Holzarbeit.“
»Die technischen Fertigkeiten sind die Grundlagen für das freie künstlerische Arbeiten, das eine funktioniert nicht ohne das andere«, sagt die ausgebildete Künstlerin, die von 1987 bis 1992 an der Akademie der Bildenden Künste München Bildhauerei bei Sir Eduardo Paolozzi, und James Reineking studierte. »Das war eine tolle Zeit. Wir haben gelernt, Ideen umzusetzen, meine gestalterische Arbeit hat sich in der Zeit stark entwickelt, ich glaube, ich wäre sonst in meinem Handwerk steckengeblieben«, sagt Michaela Johanne Gräper. Sehen, hören, fühlen Ihre Themen sind sozialkritisch – Michaela Johanne Gräper meißelt in Holz, was sie bewegt: Ungerechtigkeit, Krieg, Gewalt und immer wieder das Bild der Frau. Die Werktitel rangieren von lustig bis poetisch und transportieren immer auch ein Gefühl: »Der Arbeitstitel ändert sich ungefähr fünfmal während der Entstehung. Der Titel reift sozusagen mit dem Werk.« Später, wenn die Werke in Ausstellungen präsentiert werden, »entstehen oft Diskussionen um die Titel«. Das gefällt Michaela Johanne Gräper: »So kommen wir ins Gespräch und lernen etwas über die Sichtweise des anderen. Das ist das Wichtigste in der heutigen Zeit: Wir sollten wieder versuchen, den anderen zu sehen und ihm zuzuhören.« (Text frei nach Katharina Kümmerle)
STATIONEN
- 1962 geboren in Oberammergau
- 1981 Ausbildung an der Berufsfachschule für Schnitzer und Holzbildhauer
- 1987 bis 1992 Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste München bei Sir Eduardo Paolozzi und James Reineking
- lebt und arbeitet in Burggen, Allgäu