ANDREA LEUCHS

Seit mehreren Jahren beschäftigt sich die Künstlerin damit, den Bildern in ihrem Kopf Worte an die Seite zu stellen, die sie dann schreibend zu ihren Exponaten formt. Auf vorher bearbeiteten Oberflächen aus Leinwand, Papier und verschiedenen Naturmaterialien schreibt sie – unzensiert – alles nieder, worüber sie nachdenkt. Sie verzichtet dabei auf kalligrafische Effekte und verwendet nur ihre Handschrift. Allerdings ohne Wort- und Zeilenabstände oder Satzzeichen einzufügen. So entstehen Arbeiten, die eigentlich „alles offenlegen und doch geheimnisvoll bleiben“, da sie für den Betrachter nicht dechriffierbar sind.
Die Eigenheiten des Schreibmaterials – wie zum Beispiel die zum Trocknen aufgehängten Teebeutel (s. Foto links), welche anschließend hauchdünn mit weißer Tusche beschrieben werden; Endprodukt ist das gerahmte Bild darunter – beeinflussen ihre Gedanken dabei ebenso wie ihre Erinnerungen und all das, was sie an sinnlichen Eindrücken im Augenblick des Schreibens umgibt. So entstehen Texte, in denen sich gerade Erlebtes und Biografisches, Reales und Ausgedachtes, Philosophisches und Poetisches zu einen Netz aus durchlebter und durchdachter Zeit verweben.
Ein immer gegenwärtiges Thema ist dabei die Langsamkeit. Mit der Schreibbewegung entschleunigt sich das Denken, so dass einzelne Worte bewusster wahrgenommen werden und ihrerseits wieder neue Gedankenketten auslösen können. Dass die Texte am Ende nicht mehr oder nur noch bruchstückhaft zu entziffern sind, ist beabsichtigt. Es ist zum einen Ausdruck der Abstraktheit und Privatheit der Gedanken. Zum anderen erlaubt es dem Betrachter, eigene Ideen und Assoziationen an einzelne, für ihn lesbare Worte zu knüpfen. Nur kurze Textauszüge, die der Künstlerin „aufhebenswert“ erscheinen, setzt sie in lesbarer Form wieder neben die Schriftobjekte.
Davon abgesehen genießt und kultiviert Andrea Leuchs den Widerspruch, in einer Zeit, in der Geschriebenes in der Regel kurz, gedruckt und informativ ist, in epischer Breite handschriftliche Nicht-Information zu produzieren. Sie empfindet ihre Arbeit als eine Art „stiller Revolution der Langsamkeit und der zweckfreien, nicht zielorientierten Vertiefung“, die sie dem allgemeinen Wert der Schnelligkeit und des rationellen Arbeitens als Kontrapunkt entgegensetzt.